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Beispiel Guter Praxis: ESF Plus Sachsen

Gleichstellung im Erwerbsleben – eine Förderrichtlinie zur Stärkung existenzsichernder Frauenerwerbstätigkeit im Lebensverlauf

Mit der ESF Plus-Richtlinie „Gleichstellung im Erwerbsleben“ werden in Sachsen Vorhaben zur Unterstützung der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen am Erwerbsleben im Lebensverlauf umgesetzt, um die anhaltende geschlechtsbezogene Unterrepräsentation und strukturelle Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt zu bekämpfen.

Steckbrief

Institution Sächsisches Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung

Programm ESF Plus-Richtlinie Gleichstellung im Erwerbsleben 2021-2027  

Förderperiode 2021 – 2027

Querschnittsthema Gleichstellung der Geschlechter

Förderschwerpunkt Priorität: Förderung nachhaltiger und hochwertiger Beschäftigung, Gründungen und Unternehmertum sowie Anpassung an den Wandel

Quellen/Dokumente REVOSax: ESF Plus-Richtlinie Gleichstellung im Erwerbsleben 2021-2027
Sächsische Staatskanzlei: ESF Plus-Richtlinie Gleichstellung im Erwerbsleben 2021-2027

Kontakt Katja Hilbert - Justiz Sachsen, SMJusDEG
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Um welche Herausforderung geht es?

Die Gleichstellung der Geschlechter ist im Primärrecht der EU verankert und wird im ESF mit einem Doppelansatz (Gender Mainstreaming und spezifische Maßnahmen) umgesetzt: Gender Mainstreaming ist als proaktive Strategie, durch die auch strukturelle Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern adressiert werden, in allen Phasen der Planung, Durchführung, im Monitoring und der Evaluation zu implementieren. Unmittelbar auf die Geschlechtergleichstellung zielende Programme und Projekte sollen durchgeführt werden, um anhaltende Geschlechterungleichheiten gezielt abzubauen (Gleichstellungsstrategie der EU). 

Trotz entsprechender Vorgaben in der Dachverordnung und der ESF Plus-Verordnung und anhaltender gravierender Gender Gaps ist zu beobachten, dass die Zahl der unmittelbar auf die Gleichstellung zielenden Programme und der Anteil von Frauen (in ihrer Vielfalt) an der ESF-Förderung in den letzten Förderperioden rückläufig ist. Zwar werden in einzelnen gleichstellungsorientierten Programmen Ungleichheitsaspekte adressiert (z.B. Gender Gaps im Bereich von Unternehmensgründungen oder bei der Erwerbsbeteiligung von Frauen v.a. im Kontext des Fachkräftemangels), Ansätze, die unterschiedliche Lebenslagen von Frauen und Hürden für eine existenzsichernde Erwerbsarbeit entlang der gesamten Berufsbiografie fokussieren, sind in der ESF-Landschaft aber eher selten zu finden.

Was wird gemacht?

Basierend auf den Ergebnissen der sozioökonomischen Analyse für den ESF/EFRE in Sachsen, die die Gender Gaps in der Erwerbsbeteiligung von Frauen verdeutlichen (z.B. hohe Teilzeitbeschäftigung aus familiären Gründen, lange Berufsunterbrechungen, geringe Beteiligung an selbständiger Tätigkeit, hohe Segregation auf dem Arbeitsmarkt aufgrund von stereotypem Berufswahlverhalten) wurde eine Förderkonzeption erarbeitet, durch die das übergeordnete Ziel des Abbaus geschlechtsbezogener Benachteiligungen in unterschiedlichen Phasen des Arbeitslebens, von der Berufsorientierung über den Einstieg in den Arbeitsmarkt bis hin zu beruflichem Aufstieg oder Gründung/Selbstständigkeit adressiert wird. 

Gefördert werden Vorhaben, die Frauen in ihrer Vielfalt darin unterstützen, ihre individuellen Fähigkeiten und Kompetenzen für eine existenzsichernde Erwerbsbeteiligung oder unternehmerische Tätigkeiten zu entfalten, um gegen die Feminisierung der Armut und strukturelle Ungleichheiten aufgrund des Geschlechtes anzugehen. Die Umsetzung dieser gleichstellungspolitischen Ziele sind nicht zuletzt eine notwendige Voraussetzung, um dem demographischen Wandel und dem Fachkräftemangel in Sachsen auch durch die Stärkung der Frauenerwerbstätigkeit begegnen zu können.

Die konsequente Orientierung des Programmes am Erwerbsverlauf und den Lebenslagen von Frauen wird sowohl durch die Perspektive auf individuelle und strukturelle Hindernisse bezüglich existenzsichernder Beschäftigung, als auch durch gleichstellungspolitische Ziele, Förderschwerpunkte, und -Bedingungen und für die vielfältigen Zielgruppen adäquate finanzielle Förderungen in den Handlungsfeldern der Richtlinie deutlich.

Für jeden Förderschwerpunkt

  • Vorhaben zur Förderung der Selbstständigkeit von Frauen,
  • Gründerinnenprämie,
  • Vorhaben zur Förderung der Beteiligung am Arbeitsmarkt,
  • Vorhaben zur Förderung des Zugangs von Frauen zum beruflichen Aufstieg,
  • Vorhaben, die den Geschlechterstereotypen bei der Berufs- und Studienwahl entgegenwirken,

wird die Ausgangslage der angesprochenen Zielgruppen analysiert, es werden praktische Beispiele für Ansätze und Methoden der Umsetzung skizziert und die Rahmenbedingungen der Zielgruppen durch spezifische Förderbedingungen wie z.B. die Finanzierung der Kinderbetreuung, Unterstützung bei der Vereinbarkeit von Care-Arbeit und Beruf sowie passgenaue individuelle finanzielle Unterstützung festgelegt.

Zum Beispiel werden im Schwerpunkt Förderung der Beteiligung am Arbeitsmarkt Frauen und auch Männer in vergleichbaren Lebenslagen, z.B. alleinerziehende Väter mit erschwerten Rahmenbedingungen und Brüchen in der Erwerbsbiographie, unterstützt und beraten, die eine Erwerbstätigkeit anstreben oder ausbauen möchten. Für Frauen mit Migrationsgeschichte, deren Zugang zu Erwerbstätigkeit durch migrationsbedingte Problemlagen erst mittel- bis langfristig nach schrittweisem Abbau von Zugangshürden realisiert werden kann, existieren Angebote zur Erhöhung der Arbeitsmarktnähe. Im Rahmen dieses Förderschwerpunktes wird auch Kinderbetreuung finanziert.

Im Handlungsfeld Förderung der Selbstständigkeit von Frauen wird die Stärkung von Gründerinnen, Unternehmerinnen und Unternehmensnachfolgerinnen durch Kompetenzerwerb, professionelle Netzwerke und Selbstorganisation verfolgt. Strukturelle Komponente dieses Förderschwerpunktes ist der Aufbau von Gründungs- und Co-Working Spaces.

Durch die Gründerinnenprämie werden besonders von Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt betroffene Zielgruppen wie Alleinerziehende, Berufsrückkehrerinnen, die Angehörige pflegen, mitarbeitende Familienangehörige, Frauen mit Migrationsgeschichte und Gründerinnen, die eine gemeinwohlorientierte Gründung beabsichtigen, angesprochen. Frauen in diesem Förderschwerpunkt erhalten in der Gründungsphase einen Zuschuss zum Lebensunterhalt, einen Kinderbonus sowie Zuschüsse zu den Sozialabgaben.

Warum ist das Gute Praxis?

Die unmittelbar auf die Gleichstellung von Frauen im Erwerbsleben zielende Richtlinie ist beispielgebend durch ihre konsequente Orientierung am Ziel der existenzsichernden Erwerbsarbeit von Frauen im Lebensverlauf, da dieser Ansatz große Herausforderungen in Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter angeht. Für die konsequent an den unterschiedlichen Lebenslagen, Umbrüchen und Verwirklichungschancen von Frauen in ihrer Vielfalt orientierte Förderung stehen zudem umfangreiche Mittel zur Verfügung - bis Ende 2027 insgesamt fast 29 Millionen Euro aus dem Landes-ESF Plus und sächsischen Landesmitteln.

Die Richtlinie ist von dem Verständnis geprägt, dass ein substantieller Beitrag zum demographischen Wandel und zur Fachkräftesicherung durch die Stärkung der Frauenerwerbstätigkeit nur dann erfolgreich sein wird, wenn nicht nur eine Steigerung der Erwerbsquote von Frauen im Fokus entsprechender Arbeitsmarktstrategien steht, sondern Ansätze zur existenzsichernden Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen erfolgreich implementiert werden.

In der Konzeption der Richtlinie wird den individuellen Bedarfen und strukturellen Ungleichheiten sowie Benachteiligungen von Frauen im Erwerbsverlauf durch passgenaue Ansätze und unterschiedliche Rahmen- und Förderbedingungen für unterschiedliche Zielgruppen Rechnung getragen.

Die Lebensverlaufs-Perspektive auf Frauenerwerbstätigkeit sowie die Lebenslagen und
-bedingungen von Frauen werden konsequent verfolgt und die Förderung stark auf Zielgruppen mit erschwerenden Rahmenbedingungen für eine existenzsichernde Teilnahme am Arbeitsleben konzentriert.

Die konzeptionellen Ansätze spiegeln sich auch in den Vorgaben und Impulsen für die Träger, z.B. in der detaillierten Beschreibung der Förderbausteine zu den jeweiligen Förderschwerpunkten, durch umfängliche Hinweise samt einem Ideenpool für die Methodik und Rahmenbedingungen, die Angebote zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder die Kombination von Offline- und Onlineangeboten enthalten, um z.B. auch Frauen aus dem ländlichen Raum beteiligen zu können.

Was ist für einen Transfer zu beachten?

Für den Transfer der Strategien und Mechanismen zur Umsetzung der Lebensverlaufsperspektive sind v.a. politisches Commitment zur weiterhin notwendigen Frauenförderung bzw. für ein dezidiert gleichstellungsorientiertes Förderprogramm (nicht nur) im ESF, eine gute Finanzausstattung und gleichstellungspolitische Handlungskompetenzen aller beteiligter ESF-Akteur*innen erforderlich.

Wichtig für den Transfer der in der Richtlinie Gleichstellung im Erwerbsleben entwickelten Ansätze sind

  • die grundlegende Analyse der Ursachen für zielgruppenspezifische und strukturelle Ungleichheiten von Frauen im regionalen Kontext unter Berücksichtigung der Umbrüche und Hürden für eine existenzsichernde Erwerbsbeteiligung im Lebensverlauf,
  • ein gleichstellungsorientiertes Förderprogramm mit guter finanzieller Ausstattung, die Formulierung von Gleichstellungszielen sowie Vorgaben und praxisbezogene Impulse für die Umsetzung, Rahmenbedingungen und die finanzielle Förderung,
  • die Anforderung an die Vorhabenträger, Gender-Kompetenzen nachzuweisen sowie
  • die kontinuierliche fachliche Beratung, Begleitung und Vernetzung der Vorhaben im Prozess der Umsetzung.